Wiener Kaffeehäuser, Coworking Spaces und Büros weisen viele Gemeinsamkeiten auf: Alle drei Orte müssen hervorragenden Kaffee bieten. Sie benötigen attraktive Begegnungsflächen und hervorragenden Service. Ist all das gegeben, dann stimmt die Aufenthaltsqualität – und wenn die Aufenthaltsqualität eines Ortes stimmt, dann werden Menschen angezogen, dann fühlen sich Menschen wohl und sind gerne an dem Ort.
Es gibt also so einiges was Büros, Coworking Spaces und Wiener Kaffeehäuser miteinander gemein haben: Ohne hervorragenden Service, ohne guten Kaffee und attraktive Räume mit hoher Aufenthaltsqualität keine Nutzer:innen, keine Gäste und unzufriedene Mitarbeiter:innen.
Diese Gemeinsamkeiten möchte ich zum Anlass nehmen, um mit Ihnen einen Ausflug in Geschichte und Entwicklung von Wiener Kaffeehäusern zu unternehmen. Im Besonderen möchte ich Sie mitnehmen in die „hohe Zeit“ der Wiener Kaffeehäuser der frühen 1900er Jahre. Ich möchte Ihnen verdeutlichen, was Sie sich als Unternehmer:in, Personal-Manager:in oder Space-Betreiber:in von Wiener Kaffeehäusern abschauen sollten.
Was sollten sich Unternehmen und Coworking Spaces von Wiener Kaffeehäusern abschauen?
Die Antwort ist offensichtlich, die Begründung nachvollziehbar, die Erkenntnis oft verborgen, so dass sie keinen Einfluss auf unser Verhalten hat:
Es sind Menschen, die die Atmosphäre von Orten ausmachen – und es sind Menschen, die andere Menschen anziehen. Sie sind weit wertvoller für eine hohe Aufenthaltsqualität eines Ortes als dessen Möbel oder technische Ausstattung!
Diese Erkenntnisse lässt sich insbesondere aus der wechselhaften Geschichte Wiener Kaffeehäuser ableiten. Es waren stets die Gäste, die über den Erfolg oder Misserfolg eines Wiener Kaffeehauses entschieden. Jene Wiener Kaffeehäuser, die bekannte, inspirierende und geschätzte Persönlichkeiten aus Politik, Kultur, Kunst, Literatur oder Wissenschaft zu ihren Gästen zählen durften waren erfolgreich(er).
Und genau das ist es, was sich Coworking Space Betreiber:innen und Unternehmer:innen von erfolgreichen Wiener Kaffeehäusern abschauen sollten: Es sind die besonderen Typen (w/m/d), es sind herausragende Persönlichkeiten unter den Coworker:innen, die andere anziehen, die andere inspirieren, sie begeistern, einnehmen und unterhalten.
Sie zu gewinnen, dafür lohnt es sich Zeit und Geld einzusetzen. Der „Return on Investment“ besteht in der Gewinnung vieler anderer Menschen, die ihre Zeit, ihr Geld und ihre Energie gerne einzusetzen, um vom heimischen (ab und an wohligen) Schreibtisch (immer wieder) ins Büro zu kommen oder im Coworking Space zu arbeiten.
Glauben Sie nicht? Dann lassen Sie mich diese Behauptung begründen.
In der Besuchsmotivation vereint:
Coworking Spaces, Büros & Wiener Kaffeehäuser
In unseren Büros und Coworking Spaces geschieht die Vernetzung und der (informelle) Austausch mit anderen Menschen selten direkt am Schreibtisch und noch seltener in virtuellen Räumen. Das Kennenlernen neuer Leute, der (informelle) Austausch und das sich gegenseitig Inspirieren findet in angenehmer Atmosphäre statt. Ein gemütlich hergerichteter Lounge-Bereiche mit Café, eine offen gestaltete (Bar-/Treffpunkt-)Küche, das sind Orte, die lockere, informelle Gespräche fördern.
Dieser Austausch mit Kolleg:innen ist eines der zentrale Motive, um sich mit anderen an einem reellen Ort zu treffen. Es sind im Besonderen andere Menschen und die Gespräche mit ihnen, die uns immer wieder motivieren ins Büro zu gehen oder in einem Coworking-Space zu arbeiten.
Auch das sprichwörtliche „sehen und gesehen werden“ treibt uns hin zu Orten, an denen wir Kolleg:innen (Co-Worker:innen) treffen. Die persönlichen Präsenz fördert die eigene Bekanntheit, baut emotionale Nähe auf und festigt Beziehungen. Persönliche Präsenz ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um berufliche (Karriere-)Ziele zu erreichen und spannende Projekte zu bekommen.
Und da haben wir sie, die versprochenen Gemeinsamkeiten zwischen Büros, Spaces und Kaffeehäusern: Andere Menschen, Gespräche in netter Atmosphäre und das „sehen und gesehen werden“ sind wesentlichen Gründe seinen Kaffee nicht zu Hause zu genießen.
Im Geiste vereint!
Was moderne Büros im Allgemeinen und Coworking Spaces im Speziellen mit den Wiener Kaffeehäusern in deren Blütezeit ebenfalls verbindet, das sind deren Werte:
- gelebte Offenheit
- größtmögliche Freiwilligkeit
- leichte Zugänglichkeit und
- gepflegte Gemeinschaft.
Milena Wälder kommt in ihrer Studienarbeit zum Thema: Kaffeehaus vs. Coffee House – Ein Vergleich zwischen dem Wiener Kaffeehaus und der Coffee House Kette Starbucks denn auch zu diesem beeindruckenden Fazit:
Die Wiener Kaffeehäuser der Jahre 1890 bis zum 2. Weltkrieg entsprechen weit mehr heutigen Coworking Spaces als das für Kaffeehausketten wie Starbucks & Co gilt.
Jetzt aber los: Kommen Sie mit auf die versprochene, kurze Zeitreise in die Geschichte Wiener Kaffeehäuser.
Wiener Kaffeehäuser: Alleinsein in inspirierender Gemeinschaft!
Die Blütezeit Wiener Kaffeehäuser lang im Zeitraum 1890 bis 1940.
Wiener Kaffeehäuser waren in dieser Zeit zentrale Orte der Begegnung, an denen sowohl das „Alleinsein in Gemeinschaft“ als auch die Kommunikation und der Austausch untereinander möglich waren. Nur Wiener Kaffeehäuser boten in jener Zeit diese besondere Atmosphäre, die das Alleinsein und das Erlebnis von Gemeinschaft zugleich möglich machte.
Alfred Polgar beschreibt dies in seiner Theorie des Café Central – ein bekanntes Wiener Kaffeehaus das schon seit 1876 existiert – auf ganz wunderbare Art und Weise:
„Es gibt Schreiber, die nirgendwo anders wie im Café Central ihr Schreibpensum zu erledigen imstande sind, nur dort, nur an den Tischen des Müßigganges, ist ihnen die Tafel der Arbeit gedeckt, nur dort, von Faulenzlüften umweht, wird ihrer Trägheit Befruchtung. Es gibt Schaffende, denen nur im Central nichts einfällt, überall anderswo weit weniger. Es gibt Dichter und andere Industrielle, denen nur im Café Central der verdienende Gedanke kommt.“
Wiener Kaffeehäuser und Coworking Spaces – die Ähnlichkeit wird immer offensichtlicher.
Auch der Tausch von Meinungen, Neuigkeiten, Gerüchten war konstitutives Merkmal eines jeden Wiener Kaffeehauses – und jener Austausch war wiederum die Quelle für Inspiration: Man nahm einen Kaffee und geistige Nahrung zu sich (in Anlehnung an Klaus Thiele-Dormann, Europäische Kaffeehauskultur).
So entwickelte sich eine (starke) Gemeinschaft, und dieser anzugehören, Teil einer Einheit zu sein, wurde zum zentraler Motiv für den Aufenthalt in Wiener Kaffeehäusern.
Persönlichkeiten und Typen (w/m/d) ziehen an!
Wiener Kaffeehäuser liefen in ihrer Hochzeit immer dann gut, wenn sie bekannte, geschätzt und „angesagte“ Persönlichkeiten als Gäste gewannen. Jene zogen weitere an. Sie waren es, die man treffen, sprechen und von denen man sich inspirieren lassen wollte.
Erfolgreiche Kaffeehaus-Betreiber:innen erkannten diesen Zusammenhang recht schnell und taten viel, um besondere Gäste zu gewinnen. Nicht wenige boten bekannten Persönlichkeiten freie Kost und Kontakte zu Mäzen.
Und genau das ist es, was sich Coworking Spaces von Wiener Kaffeehäusern abschauen sollten: Sie sollten sich immer wieder die Frage stellen welche Persönlichkeiten und Typen (w/m/d) sie in ihren Space haben müssen, um andere Coworker:innen anzuziehen.
Unternehmen nutzen die positiven Effekte von besonderen Mitarbeiter:innen auf andere Mitarbeiter:innen schon lange. Getrieben vom Gedanken die für eine Stelle und ein Team besten Leute zu finden, investieren sie viel Geld in die Gewinnung und Auswahl neuer Kolleg:innen. Sie beauftragen gar externe Berater:innen, die mit Hilfe von Tools zum Erkennen von berufsbezogenen Persönlichkeitsmerkmalen die für eine Aufgabe und ein (vorhandenes) Team besten neuen Kolleg:innen finden (Mitarbeiter-Personas als Fundament eines Employee Experience Design).
Coworking Space Betreiber:innen tun diesbezüglich oft zu wenig. Sie investieren Geld und Zeit in die Einrichtung von Räumen und deren technische Ausstattung. Das ist wichtig, keine Frage. Das ist nötig, das sind Basis- bzw. Hygienefaktoren. Und ja, diese Maßnahmen ziehen auch Menschen an. Keine Frage.
Die Anziehungskraft anderer Menschen, besondere Typen (w/m/d) und inspirierenden Persönlichkeiten ist jedoch weitaus größer und nachhaltiger. Und ich bin sicher, dass die meisten Space-Betreiber:innen in der Lage sind jene Typen (w/m/d) und Persönlichkeiten unter ihren Nutzer:innen zu erkennen. Jene zu finden, die andere Menschen begeistern und inspirieren, die kommunikativ stark sind, sich gerne unter Menschen aufhalten, die auf andere anziehend wirken, die Begegnungsflächen und Open Spaces eher zum Arbeiten nutzen als geschlossene Räume.
Auf jene Menschen zuzugehen und sie mit bedarfsorientierten Services, vermittelten Kontakten und Rabatten zum regelmäßigen Space-Aufenthalt zu bewegen, das sollte für die meisten Coworking Space Betreiber:innen machbar sein. Sie werden belohnt mit einer besseren Auslast, einer lebendigeren Gemeinschaft und einer tollen Atmosphäre.
Denn es sind die Menschen, die die Atmosphäre und Gemeinschaft eines Ortes ausmachen und die andere Menschen anziehen.
Wiener Kaffeehäuser der Jahre 1890-1940 haben uns das eindrucksvoll gelehrt.
Ich hoffe meine Überlegungen und meine Zeitreise in die Geschichte der Wiener Kaffeehäuser waren inspirierend für Sie.
Gerne bin ich für Sie da, wenn Sie gemeinsam mit Ihren Mitarbeiter:innen oder Coworker:innen Räume der Begegnung und des Austauschen (neu) gestalten oder passende Typen und besondere Persönlichkeiten identifizieren und auswählen wollen.
Ich biete Ihnen Tipps und Anregungen für eine sinnvolle Vorgehensweise, und gerne zeige ich Ihnen passende Erfolgsbeispiele für Ihr Anliegen.
Buchempfehlungen zum Thema „Wiener Kaffeehäuser“
Milena Wälder widmet sich in der Rolle einer Forscherin einem Vergleich von Wiener Kaffeehäusern und der Coffee House Kette Starbucks.
Sie findet Gemeinsamkeiten, zeigt Unterschiede im Geschäftsmodell, dem Service und der Einrichtung auf. Sie werden beim Lesen immer wieder überrascht sein von den vielfältigen Ähnlichkeiten zwischen Coworking Spaces und Wiener Kaffeehäusern. Ich jedenfalls war es oft.
Klaus Thiele-Dormann beschreibt die spezielle Atmosphäre von Kaffeehäusern. Er geht ein auf die Geschichte, Entwicklung, Erfolge und auch Misserfolge von zahlreichen, namentlich genannten Kaffeehäusern. Sein Buch Europäische Kaffeehauskultur erschien im Jahr 1999 und ist das Standardwerk über Kaffeehäuser.
Das Beste zum Schluss:
Es braucht nur wenige kleine Schritt auf dem Weg vom (Wiener) Kaffeehaus zum Coworking Space!
Das Wiener Kaffeehaus mit seiner speziellen Atmosphäre gibt es nicht mehr. Die Einrichtungen blieben zwar oft erhalten, und man ging bewusst nicht mit der Zeit. Es wurden keine Steckdosen angebracht, nach wie vor liegen Zeitungen aus und der Gebrauch von mobilen Endgeräten ist nicht gern gesehen.
Vieles aus der Blütezeit ist jedoch nicht mehr gegeben: Das Gefühl des „Alleinsein in Gemeinschaft“, der Austausch mit anderen Gästen und das starke Netzwerk unter den Gästen. Auch das Arbeiten in Cafés blieb nach dem zweiten Weltkrieg lange Zeit eine absolute Ausnahme. Niemand hatte dazu ein Bedürfnis – und niemand wäre auf die Idee gekommen seine Schreibmaschine mit ins Café zu nehmen.
Das änderte sich erst wieder mit der zunehmenden Verbreitung von Notebooks und WLAN in Cafés. Cafés wurden nun wieder – gewollt oder nicht – zu einem Platz zum Arbeiten, oft ausgestattet mit zahlreichen Steckdosen zum Laden mobiler Endgeräte.
Cafés wurden zu einer Alternative zum Home-Office: Häusliche Pflichten können (wieder) zu Hause gelassen werden. Man kann sich auf seine Arbeit konzentrieren. Die Geräusche und die Atmosphäre in einem Café wirken stimulierend und anregend – jedenfalls auf die meisten Menschen und bei einem nicht zu hohen Geräuschpegel.
Nur den wenigsten Cafés gelang und gelingt es jedoch von „arbeitenden Gästen“ zu leben. Nicht wenige dieser Gattung bestellen einen Becher Kaffee mit Wasser und arbeiten dann 6-8 Stunden im Café. Ohne eine weitere Gegenleistung und ohne ein schlechtes Gewissen!
Warum? Nun, weil andere es auch tun, weil es geduldet wird, vor allem aber weil jene (Arbeits-)Cafés keine separaten Räume bieten: Räume für Stillarbeit, „Telefonzellen“, Videokonferenzräume, Besprechungsräume, Lesezimmer oder eine Bibliothek. Würden Sie dies tun, so würde sich ihr Geschäft wieder lohnen. Sie würden sich vom (Arbeits-)Café zum Coworking Space wandeln. Eine Entwicklung, die (wieder) Erfolg verspricht. Vollziehen sie diesen Wandel nicht, dann sollten sie weder WLAN noch Steckdosen bieten – und sich bewusst zum klassischen Wiener Kaffeehaus entwickeln.
Mich persönlich würde beides sehr freuen: Gemütliche, zum entspannten Gespräch und Netzwerken geeignete Cafés – ohne (!) arbeitenden Gäste – und Coworking Spaces mit vielen, tollen Menschen.